[Ökumene-Card] [Reunión] [Kein Essen]
Auf der Supermegaveranstaltung der Kirchen ging Ende Juni echt die Eisenbahn ab: Die ansonsten beschauliche Kleinstadt Graz war
plötzlich der Nabel der Welt (l'ombelico del mondo). Massen von Menschen drängten hin, sodaß sogar die
Straßenbahn Sonderzüge führen mußte. Der Jakominiplatz (Robert bestand auf "Jakobiplatz") war extra
für die - und leider nur auf Dauer der - Veranstaltung in "Platz der Empörung" umbenannt und mit
Fahnen geziert worden, die die diversen Mißstände der Welt beim Namen nennen (Bild oben). Dominik, beim ersten Anblick
dieses Schmucks: "Das Parteiprogramm der SPÖ!"
Alle zuhauf erschienenen Leute kauften an einem der sicher über vier
Ökumene-Ständen, an denen Studentinnen arbeiteten, die von nichts eine Ahnung hatten, ihre
Ökumene-Card, einen Ausweis, auf dem man seinen Namen eintragen und für wichtige beherrschte Sprachen
(außer Spanisch) einen farbigen Punkt aufkleben konnte. In das Russisch-Feld malten wir sofort unseren ZE-Stern, denn wir
(Robert, Berni, Dominik, Matto) waren auf der Ökumene als Vertreter der Zapatistas del Exterior, die im Vorjahr, ja
schon ein fulminantes Fest veranstaltet hatten. Das erklärt auch gleich, warum wir uns überhaupt unter
die ganzen Ökumanen begeben haben: Wir wollten mit Erzbischof Samuel Ruiz von Chiapas ein bisserl über die Lage in
Zapatistan plaudern.
Wie beeindruckend war es, am ersten Nachmittag unseres Aufenthalts zur Abendmesse in den Grazer Dom zu spazieren! Leider war es schwierig,
wieder rauszukommen, da eine Unmenge Leute hineinwollten und die Türen eng waren. Aber schließlich kamen wir unter Aufbietung
all unserer Charmanz rechtzeitig vor Meßbeginn wieder hinaus und hatten auch noch ein Textheftchen geschenkt
bekommen (Ausschnitt).
Am Abend hielten die Zapatistas in Bernis Grazer Studentenwohnung eine Reunión ab. Die Agenda:
- Allgemeiner Dank von allen an alle
- Spezieller Dank von Berni an Dominik und Robert für die von der Autobahntankstelle mitgebrachten Pornohefte
- Wann treffen wir Erzbischof Ruiz?
- Wo treffen wir ihn?
- Wie erfahren wir es, wenn keiner eine Ahnung hat?
- Jetzt ist auf dem Messegelände gerade das Amani People's Theatre aus Kenia. Wer will hin?
- Rauchma lieber Wasserpfeife.
- Digeridoo spielen
- Empörung
- Streit
- Versöhnung
Am nächsten Tag trafen wir mit Glück Erzbischof Ruiz samt Sekretär, denn wir tauchten gerade zu dem Zeitpunkt auf, als diese
eine Diskussionsveranstaltung in einem dubiosen Industriellenvereinigungsgebäude beendeten. Wir erfuhren alles Wichtige
über die Verwendung unseres Geldes und machten den Weg frei für ein zweites Zapatistenfest. Nun hatten wir das Notwendige
erledigt und konnten wieder Wasserpfeife rauchen gehen. Zuvor versöhnten wir uns aber noch, denn Versöhnen schadet nie.
Es hieß, mit den Ökumeneausweisen könne man irgendwo verbilligt essen. In drei Tagen gelang es uns nicht, herauszufinden,
wo das war, denn die Lokale, die das Ökumene-Essen-Piktogramm ausgehängt hatten, beteuerten, das Symbol mit dem
gekreuzten Besteck bedeute lediglich "Die von der Ökumene können hier was trinken". Und von gratis keine Rede.
Aber gleichviel! Wer nicht ißt, trinkt halt, hört dazu die Fledermaus und raucht Wasserpfeife. Und versöhnt sich.
Versöhnen ist wunderschön. Versuch es du doch auch! Falls du gerade in einem Computerraum sitzt, dann dreh dich zu deinem
Nachbarn, streck ihm die Hand hin, sag "Nichts für ungut!" und dann: "Gehma jetzt eine Wasserpfeife rauchen?"
Und wenn er ablehnt: Empörung!
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