Nr.1
Vom Tauchen mit Handrücken-in-Handfläche-schlagen
Warum heute keiner im Garten vom Café Cottage war, verstehe ich wirklich nicht: Die Sonne schien
vorbildlich, das Grün der überhängenden Hecke grünte, der Kaffee schmeckte und wurde dank
Sonneneinstrahlung auch nicht gleich kalt. Das wird er mir nämlich oft, denn ich verwende das Kaffeehaus
zu Verschiedenstem: Ich schreibe Briefe, ich lese Zeitung (nicht ungewöhnlich, zugegeben),
trinke manches Cola light, belausche Personen, und vor allem: lerne. Bei mir zuhause ist es
dunkel wie 10 Tage Mondfinsternis, und ebenso im Inneren des Café Cottage. Aber gerade
dort saßen heute die Leute. Vielleicht deshalb: Die Kellnerin, die die Frau vom Chef und
somit die Chefin ist, schritt ums Eck in den Garten meinem Tisch zu, und es knackte. Wo, war
nicht auszunehmen. Verstört begutachtete sie die Umgebung. "Was war denn da?" fragte ich.
"Ham Sie's nicht knacken gehört?" - "Doch." Dann wandte sie sich mir zu: "Wie immer?" -
"Genau, wie immer."
Solche Dialoge sind Kreuzungen aus Tautologie und Tauchersprache. Bündig und quasi ohne Aussage.
Wie der, mit dem wir uns dann verabschiedeten. Dazu ist zu bemerken, daß etwa eine halbe Stunde,
nachdem ich im Garten Platz genommen hatte (und dieser noch immer leer war) die Chefin und ihr
Mann, der Chef, herauskamen, kein Wort sprachen und bedrohlich-seltsam wirkten. Der Chef sieht
aus wie Danny DeVito. Er trug eine mafiös aussehende Sonnenbrille und setzte sich an die
überhängende Hecke, um nichts Erkennbares zu tun. Später entfernten sich die beiden, ohne ein
Wort gesprochen zu haben. Beim Weggehen fragte ich die Chefin: "Ham Sie gefunden, wo das Knacken
herkommt?" - "Nein." - "Ham Sie's nicht gesucht, vorher im Garten?" - "Nein!?" Nun sah sie mich
fragend an, als ob das nicht klar wäre, daß nicht das Knacken gesucht worden wäre,
sondern vielleicht der ausgerissene Leguan aus dem zweiten Stock. Ich fühlte mich
genötigt zu erzählen: "In meinen Kasteln rumpelt's auch immer, und ich komm'
nicht drauf, warum." - "Poltergeist." - In meiner Gedankenwelt gibt es keine in Kästen
polternden Geister. Ein richtiger Poltergeist poltert im oberen Stockwerk oder sonstwo
weiträumig. Drum entgegnete ich: "Nein, nur so im Kastl, und ich komm nicht drauf, was
es ist." - "Ein Poltergeist!" Da war es nun: Sie kann sich Poltergeister vorstellen, die in
Kästen poltern. Vielleicht auch welche in Schubladen. Oder in Badewannen. In Flaschen.
In Nagetierkäfigen, Leguankäfigen, Billardkugeln, Zigarettenschachteln. Schlimme,
geradehin aufklärerische Ansicht. Sowas Profanes.
Zur Tauchersprache ist auch noch Verschiedenes zu bemerken. Ich weise stolz darauf hin, daß ich
schon einige Zeichen kann, nämlich 14. Die sind: Schau, ja/gut, nein/schlecht, Boot, Fisch,
wenig Luft, keine Luft, auftauchen, abtauchen, wer/was/wo, Partner, Finimeter, die Ziffern,
Oliver und Hirnsausen. Das Zeichen "Oliver" kommt von dort: Zwecks Reiseplanung saß ich jüngst
mit Jasmin und Oliver im Garten vom Café Schwarzenberg, wo unmenschlich viele Leute waren. Hätte
es dort geknackt, keiner hätte es gehört. Die Kellner sehen alle aus wie Sigmund Freud. Nun ist
die Einbettung Olivers in seine Familie eine komplizierte: Er lebt seit dem Tod seiner Eltern
bei den Gs. Wurde also so ähnlich wie adoptiert, aber nicht wirklich, denn er heißt nicht
G. Berni aber schon, und der ist jetzt der Quasi-Stiefbruder von Oliver. Das veranlaßte
Jasmin zur Bemerkung: "Ach ja, du bist der ... vom Berni." Das "..." unterstrich Jasmin mit
Handrücken-in-Handfläche-Schlagen. Und das Zeichen für "Oliver" war geboren. Urpraktisch:
Steckt er als mein Tauchpartner einmal mit dem Kopf in einer Höhle oder ähnlichem, und ich
sehe z.B. die Paarung eines Hais mit einem Barakuda, was urselten ist und urhoch im
Tauchgeschichtenerzählkurswert, dann schlage ich elegant das Oliver-Zeichen, er hört den Ruf
und kann das Spektakel auch verfolgen. A propos Tauchgeschichtenerzählkurswert: Jetzt geht es
um den Tauchkursgeschichtenerzählwert. Oliver und ich (und Robert) machen ja einen Tauchkurs.
In Wien. Der kritische Leser wird fragen: "In Wien? In der Alten Donau? Oder im Schwimmbad?
Hahaha!" Haha: Im Schwimmbad. Jede Woche gehen wir auf 1,50m. Reicht für Ohrendrücken, dann wird
Druckausgleich gemacht, und der Kopf ist vom drohenden Hirnsausen befreit. Oliver ist aber
fleißig. Und so bleibt er immer recht lang unter Wasser und übt Übungen, während der schlaksige
Tauchlehrer am Beckenrand schon zum Schildern anhebt. Der verlangt dann immer, daß ich den
Übenden "am besten an die Hoar" herausziehe, dann tauche ich ab und deute: Schau! Oben! Hirnsausen!
Auftauchen! Wie "Hirnsausen" aussieht: Hände mit gespreizten Fingern etwa über den
Wangen leicht kreisen lassen. Sehr nützliches Vokabel. Man sollte die Tauchersprache
überhaupt erweitern: Es sind bis dato nur Sätze wie "Schau, dort, Boot, wo, Partner?"
möglich, warum nicht: "Fisch, hat, Hirnsausen, ißt, Partner, wo, Ausgang?" Oder:
"Horch, wo, knackt, nicht, Leguan?" Ein Diktionär ist vonnöten.
Manchen Leuten tun Wörter weh, die andere wieder besonders lustvoll verwenden, und zwar allein
wegen des Worts an sich tun sie weh. Ich rede nicht von Schimpfwörtern, sondern von normalen.
Zum Beispiel "Streß". Für mich ist "Streß" ein Wort oder eine Interjektion wie auch "Huch!"
oder "Schön!" oder "Gurk!". Meist mach ich noch "urstressig!" draus. Die Aussprache dieses Worts
befreit mich in stressigen wie sonstigen Situationen von aufwallendem Hirnsausen. Angenommen,
ich suche den Ursprung eines Geknackes in meinen kiefernen Kästen und finde nichts außer Socken
und Kabeln, stoße ich ein "urstressig" aus, und die Situation ist trotz nicht verrichteten
Dingen gerettet. Mein Stolz ist nicht angeschlagen, es war nicht umsonst. Ein schöner Abschluß.
Umso schlimmer, wenn der Anschluß von Zweiten nicht als solcher akzeptiert wird und die nörgeln:
"Du sagt immer ,stressig'! Du machst dir deinen Streß selber; du redest dir das ein! Das darf
man nicht immer sagen, sonst glaubt man das wirklich!" etc. Klar, daß ich der Frau, die das
sagt (es sind immer Frauen), dann vorwerfe, daß sie sich stressig verhält. Und dann gibt's
Zerwürfnisse unedler Art. Die letzte Frau, die mich bezüglich Stressigsagens zurechtgewiesen
hat, hat mir vor einigen Tagen eine Abschiedskarte geschickt, in der sie mir für meinen
Charakter dankt. Wobei ich wieder nicht wüßte, was ich davon halten soll, wüßte ich nicht um die
Begleitumstände. So, ganz und gar aus dem Zusammenhang gefischt, kann man billiges Schmunzeln
damit ernten. Aus wenn's der Urstreß ist, beim Tauchen knackenden Polterleguanen mit Hirnsausen
zu begegnen.
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