Nr.2
Die progressiv abgeschriebene Rülpsmaschine
Mein Herz delektierte sich jüngst an der Zeitungsmeldung, daß die Iren - nicht die wirklichen,
sondern die Songcontestiren - nun ob ihres mehr oder weniger kontinuierlichen Bewerbgewinnens
verärgert sind und das, was von dem, was sie gewonnen haben, wirklich etwas wert ist, nämlich
die Austragungsbefugnis für den 97er Bewerb, ausschreiben oder verlosen oder sonstwie abstoßen
möchten. Denn das Austragen dieser Veranstaltung, ist nicht billig; darum wollen die Iren nun
hurtig einen Abortus vornehmen. Man erinnere sich: Bereits 1991, glaube ich doch stark,
entsandten die Sieger des damaligen Vorjahrs, die Italiener, einen eher laschen bis läulichen
Seemannslied-in-süditalienischem-Dialekt-Vorträger in die Wohnzimmer der Eurovision, damit sie
sich nicht wieder einen Gewinn aufbürden. Was ihnen gelungen ist. Die Iren hingegen haben das tüchtig versaut; dabei war ihr Aufwand an Organisation, das heißt das Aus-der-Gosse-Ziehen einer Person, mit der es bezüglich roter Blutkörperchen im argen liegt und welche ein verschreckendes Lied vorträgt, alles andere als unbeachtlich. "The Voice", jenes Gespenst mit seinem nervigen Geseier zu "traditionellen" Instrumenten ist, wie das Weltbürgertum, das Weltarbeitertum und sicher auch der eine oder andere Bundespräsident im stillen befinden wird, wahrlich alles andere als eine Ohrenfreude. Gewann aber trotzdem, weil Irland halt gewinnt, und wenn es schon einmal nicht gewinnt (wie 1995), geht es unter aber auch überhaupt keinen Umständen an, daß sich diese Unglimpflichkeit auch noch wiederholt. Nächstes Jahr werden die leidgezeichneten Iren einen vernarbten, vom Guinness-Abusus gezeichneten Päderasten mit Tätowierung auf der speckigen Glatze und Vulgarismen in Gälisch auf der Zunge ausschicken, der zu den gesampelten Tönen einer Rülpsmaschine mitten auf den Mützenzipfel eines süßen Gartenzwergs dem Namen
"Gesangsausscheidung" alle Ehre erweisen wird; weiters wird dieser beim Postkartenfilmchen
irgendwas höchst Abstoßendes von sich geben (z.B.: "Ich trage Pelze und esse Pferde, nur am
Freitag eß ich mit Fröschen gefüllte Singvögel", und das auf Gälisch), und sie werden trotzdem
wieder die Ersten werden.
"Seltsamst", mag man sich nun fragen, "was das soll, versteh ich nicht: Erstens sind spanische
Filme über Menschen, die einander mit Schinken aus dem Schinkenmuseum prügeln, auch abstoßend
und zweitens: wieso Rülpsmaschine?" Das mit der Rülpsmaschine ist ein mir liebes Thema. Es
lagerte bereits sieben Jahre auf der Halde meiner Erinnerung in einem weit oben an der Decke
verstaubenden Ordner, und neulich grub ich es aus, denn ich hatte mich über Frauen auszulassen,
und dieses Maschinchen schien mir dienlich. Es ist nämlich schlimm, was Frauen hören wollen,
wenn man mit ihnen in ein Gespräch der Sorte kommt, wo man vielleicht das eine oder andere
Bändchen spinnen möchte, und ich hoffe inbrünstig, daß ich mich täusche und der Induktionsschluß
ins Leere bzw. in den Ofen schließt, wenn ich darlege, daß ich bei solchen Gesprächen, ab einem
gewissen Zeitpunkt über Beziehungsprobleme mit vorüberen Exen referieren muß. Muß, ja, muß, denn
in Wirklichkeit möchte ich überhaupt nicht drüber reden, sondern viel eher über die
liebenswerten Auswüchse meiner Kreativität, wie beispielsweise jene ominöse, aber nicht minder
obskure Rülpsmaschine - allein, die Frau hakt sich beim Reizthema Beziehungskalamitäten fest und
läßt sich die transparentgelackten Klauen nicht mehr lösen. Einmal konnte ich nicht mehr umhin,
mich in das mühsame Thema mit einem Mädchen so einzustrudeln, daß sie auf einmal "die
Sentimentale bekam" und wir noch in jener Nacht (den Abend hatten wir ja mit Reden zugebracht)
ein Paar waren. Offenbar bekommen die Frauen dann Lust, so ein schickes Krischen selbst
auszuprobieren, und hüpfen deshalb leichtfüßig mitten ins Beziehungskistchen, neugierig, wie es
wohl ist, wenn es dann bald zerbricht. Das erklärt auch, warum das gerade mir immer passiert,
wo ich es hasse wie irische Traditionsinstrumente, über Seelenprobleme zu palavern, wenn mir
gerade nach Herzenswärme ist, und dennoch werd ich's immer wieder machen, genau wie auch Irland
immer wieder zum Eurovisions-Grand Prix antreten wird.
Es war 1989, da hatte mein netter Klassenkamerad Attila eine Idee: "Matto", appellierte er an
meine Nebenherkritzelkunstader, "zeichne die Geschichte: Ein Mann geht in ein Haus, und da ist
ein Automat, auf dem steht "Rülpsmaschine". Der Mann denkt sich, naja, wird ein Colaautomat
sein, und haut an Fünfer rein, und dann rülpst die Maschine ganz laut, und der Mann haut sie in
Stücke." Die Idee ließ mich nicht los, und noch in derselben Geografiestunde machte ich mich an
die Arbeit. Obwohl im Comic die Maschine am Schluß nicht zerstört wird (Spezialeffekte sind für
Schüler zu teuer), wohnt dem Werk eine dermaßen megahohe Spannung inne, daß jede
Serviettenkritzelei von Alfred Hitchcock sich dagegen ausmacht wie ein auf eine Serviette
geschlunztes Krixikraxi. Tautologisch ist auch logisch, und kreativ ist auch tief.
Und Sievering, wo ich wohne, ist bekanntermaßen progressiv wie nur was. Der Sieveringer, der am
Sonntag aus der kühlen Kirche schlendert und das eine oder andere Periodikum kauft, ist nicht
einer, der sich an den Fernsehwerbungen mit den ebenso ungepflegten wie folgerichtig von Fliegen
umflogenen Popos stößt, sondern schallend lacht und sich denkt: Hoffentlich verkaufen die auch
mehr Klopapier dadurch; nein, wie kreativ; und über Snowboard-Events auf dem Schwarzenbergplatz
mit Muststatus wird er auch nicht den Kopf schütteln, sondern erfrischt aufgellen: "Wau, wir
haben eine total progressive Jugendkultur!" Dann wird er mit seinem progressiv abgeschriebenen
Firmencabrio ins Blaustern fahren und eines von den Getränken konsumieren, die unsere Altvorderen als der Farbe nach dem Giftschrank zugehörig eingeordnet hätten. Auf gar keinen Fall käme der progressive Sieveringer auf die Idee, mit in Jungscharorganen gedruckten Kolumnen, in denen die Sprache auf schlimme spanische Regisseure und noch schlimmere spanische Autoren kommt, anders umzugehen, als sie gutzuheißen. Derer gibt es nämlich mehr als Dinge zwischen Himmel und Erde, nehmen wir nur einmal jenen ominösen Pedro Almodóvar Bigas Luna (nach 22 Jahren endlich korrigiert!), der da Filme schafft wie "Jamón jamón" ("Schinken, Schinken"), in denen es um die Vermehrung der Vertreter der menschlichen Rasse geht, und wie diese bewerkstelligt wird, nämlich vorwiegend mithilfe der Hauptdarstellerin. Zum Ausgleich schlagen sich dann deren Buhler mit Schinkenkeulen, wobei einer durch Exitus schlüssig w.o. gibt. Ich habe mich ja auf meinen unzähligen Madrid-Bildungsreisen immer gefragt, wie beschaffen die in den meisten Geschäften herumhängenden Schinkenkeulen wohl seien. Mich mittels einer von ihnen gegen einen Pulk mißratener Parkräuber zu verteidigen, hätte
ich zu jenen Erfahrungen gezählt, die man wohl nur einmal und nicht erfolgreich machen könne.
Mittlerweile bin ich geläutert. Ich würde mir sogar zutrauen, mit einem ehernen spanischen
Schinken in der Rechten gegen ein Vierteldutzend mit Leuchtraketen bewaffnete Froschmänner
anzutreten. Nur zum Song Contest würde ich damit nicht antreten, denn gegen die Iren ist der
stärkste Schinken machtlos, auch wenn man ihn mit einer Fertigkeit bedient wie Jerónimo sein
Messer. Jerónimo ist nämlich die Hauptfigur in Francisco Umbrals Roman "Madrid 650", welchen ich
mir hineinzuziehen zur Zeit dabeibin. Allen Menschen, die ihre Unerschütterlichkeit unter Beweis
stellen möchten, empfehle ich hiermit dieses Buch. Es ist auf Spanisch im Planeta-Verlag
erschienen. Auf Deutsch wird es wohl nie erscheinen, denn das ist rein logisch nicht möglich.
Es gibt nämlich in unserer Sprache nicht annähernd so viele Ausdrücke für die unaussprechlichen
Extremitäten der menschlichen Physik, und drum müßte das Buch mindestens zwanzig Seiten weniger
haben als die Originalversion. Schön wäre es, wenn der guinnessbesoffene Schwerverbrecher uns
Irland all diese Ausdrücke zum Vortrag brächte, und zwar nicht nur auf Gälisch, obwohl das
unsagbar unsäglich klingt, sondern in allen Sprachen der Eurovision. Und dazu die Rülpsmaschine.
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(C)1996 Matto. Alle Rechte vorbehalten.